No Man’s Sky NEXT: Die unendliche Leere des Alls

Vor kurzem war ich für ein paar Tage zum ersten Mal in der wunderschönen Hauptstadt tschechiens, Prag. Die Stadt hat mich mit seiner Kultur und Geschichte schon lange verführt, wodurch ich während meiner Urlaubsvorplanung natürlich Schmetterlinge im Bauch hatte. Das Museum des Kommunismus musste ich sehen, diverse original tschechische Absinthe verkosten und typische Touristenplätze wie die Karlsbrücke und die Prager Burg sind selbstverständlich ebenso Pflicht für jeden Prager Ersttouristen. Das einzige Problem war, ich hatte nur etwas mehr als 72 Stunden in diesem Kurzurlaub. Viel zu wenig Zeit um alles zu erleben und sich auf die Atmosphäre der Stadt einlassen zu können. Auf der einen Seite möchte man nämlich einen strikten Plan folgen und Touren mitmachen, Türme besteigen, Museen besichtigen oder auf Konzerte gehen. Auf der anderen Seite ist es aber auch ein Urlaub, in dem man Verantwortungen, Pläne und Regeln einfach mal beiseite schieben möchte um das Leben schlicht erleben zu können. Es steht Planung gegenüber der Spontanität. Meine jugendliche Leichtsinnigkeit gegen der im Alter gewachsenen Vorsicht. Wie erlebe ich eine neue Stadt in kurzer Zeit am effektivsten? Durch kuratierte, geplante Aktivitäten? Oder durch spontan auftauchende, persönliche Momente? Ausgerechnet das kürzlich erschienene Update zu No Man’s Sky hat mich wieder zu meinem Kurzurlaub in Prag zurückgebracht.

No Man’s Sky ist ein umstrittenes Spiel. Versprechungen wurden gebrochen, Erwartungen blieben unerfüllt und die Videospielgemeinschaft zeigte sich in all dem Drama von seiner abscheulichsten Seite. Dennoch polarisiert No Man’s Sky und sticht in der Videospiellandschaft nicht nur aufgrund seiner vergangenen Negativschlagzeilen heraus. Denn es wirft ganz unbewusst die Frage auf was ein Spiel überhaupt interessant macht. Kuratierte, geplante Aktivitäten oder spontan auftauchende, persönliche Momente?

Die Stärken und Schwächen von No Man’s Sky

Zunächst ist es wichtig die Stärken und Schwächen von No Man’s Sky zu definieren. Zunächst in seiner 1.0 Version und später mit dem kürzlich erschienenen NMS:NEXT Update. Die 1.0 Version ist sehr spannend zu betrachten, denn es war bei aller Liebe zu dem Spiel eine leere Hülle mit vielversprechenden Ansätzen, die nie zu etwas gewachsen sind. Und doch habe ich 20 Stunden in dieser leeren Hülle verbracht, die ich nicht bereue. Das Konzept ist einfach faszinierend. Eine de facto unendlich riesige Spielwelt bringt die Fantasie in die Gänge und erweckt im Spieler einen Entdeckerdrang. Man will sehen wie breit und tief die Unendlichkeit wirklich sein kann. Hier liegt die Stärke in No Man’s Sky. Nur noch ein Sonnensystem mehr erkunden. Es braucht nur 10 Minuten zu dauern um sich einen Eindruck von einer neuen Welt schaffen zu können und seinen Entdeckerdrang kurz zu befriedigen. Von eisigen mit Blizzards bedeckten Planeten in der einen Minute hin zu Pilzbewachsenen und mit Säure beträufelten Umgebungen in der nächsten. Es kann eine fast schon magischer Trip sein, die Unendlichkeit eines Programmes zu erkunden. Man kann sich treiben lassen und entspannen. Diese Stärke führt aber auch zur größten Schwäche von No Man’s Sky. Die Unendlichkeit kann sehr monoton sein.

Während meines Kurzurlaubs in Prag ließ ich mich für große Teile ebenso treiben. Ich hatte ein vages Ziel vor Augen und lief über Umwege dorthin und saugte auf dem Weg so viele Eindrücke wie möglich auf oder verlor mich in Seitengassen abseits der Hauptstraßen. No Man’s Sky 1.0 zwingt den Spieler durch sein karges, unfertiges Design die Welt auf diese Weise zu erkunden. Das Ziel ist die Mitte der Galaxie, wie man dort hinkommt ist aber jedem selbst überlassen. Das führt aber dazu, dass No Man’s Sky 1.0 zu wenig Abwechslung im Moment-to-Moment Gameplay bietet. Wenn ich durch Prag nur laufen dürfte, wäre das eine Zeit lang sehr schön. Letztendlich möchte ich aber doch etwas mehr erleben. Kuratierte Erfahrungen und konkrete Ziele fehlten, sodass Spieler sich nicht nur (passenderweise zu den Weiten des Alls) einsam und verloren fühlten, sondern ihnen gleich gänzlich die Motivation am weitergehen geraubt wurde.

Genau hier kommt das Update No Man’s Sky NEXT ins Spiel. Nicht nur macht dieses Update gebrochene Versprechungen wieder gut, es gibt Spielern mehr Aktivitäten in der Spielwelt. Plötzlich hatte ich nicht nur die Karlsbrücke als Ziel, sondern mein virtueller Reiseleiter hat mir eine Vielzahl von Restaurants, Museen und Konzerten vorgeschlagen, die ich doch mal ausprobieren solle. Es ist eine Verbesserung, keinen Zweifel. Leider sind alle Vorschläge eher mittelmäßig wenn man sie mit Konkurrenten vergleicht. Für mich funktioniert No Man’s Sky NEXT aber aus einem ganz anderen Grund nicht komplett. Mir fehlt womöglich ein gutes Stück Fantasie.

Fantasie als Katalysator für Spaß

Wenn ich positive Spielberichte zu No Man’s Sky lese, arten diese oftmals in Beschreibungen ganzer Szenarien aus. Mir selbst ist gestern zusammen mit meinem Bruder folgendes passiert: Gestrandet, ohne Treibstoff auf einem radioaktiven Planeten waren wir umzingelt von dinosaurierartigen Tieren und giftspuckenden Pflanzen. Wir mussten uns durch alle Widrigkeiten schlagen und lange genug überleben um neuen Treibstoff herzustellen. Nachdem wir das mit Müh und Not gemeistert haben, flogen wir zum nächsten Planeten, nur um von einem dichten Jungle und Monsoon-artigen Regenfällen begrüßt zu werden. Auf Papier klingt das fantastisch! Die Realität war aber weit mundäner. Flora und Fauna haben was das Gameplay betrifft kaum eine Auswirkung auf den Spieler. Die Radioaktivität des Planeten ist auf den Normalen Schwierigkeitsgrad eher ein störender Beieffekt, als eine große Herausforderung. Und die Herstellung des Treibstoffs war in 10 weniger als 10 Minuten erledigt. Die Belohnung dafür war der nächste schöne Jungle Planet, der zwar wunderschön war, meinem Charakter aber kaum etwas bot. Wir bauten eine kleine Hütte und machten diesen Planeten zu unserer ersten Basis, wurden dann aber gezwungen weiter zu ziehen, da wir Ressourcen benötigten, die es hier nicht gab. Das Spiel gab uns alle Werkzeuge um diese Fantasie zu spielen, ich habe aber nicht gefühlt als hätte ich etwas erlebt. Denn nichts hat sich verändert. 30 Minuten später war dieses kleine Abenteuer vergessen und wir kämpften uns von Sonnensystem zu Sonnensystem auf der Suche nach einem interessanten Planeten mit wenigstens einem Hauch von Geschichte und Kultur. Vergebens…Denn No Man’s Sky ist ein Spiel, welches Fantasie benötigt.

Stellen wir uns vor morgen wäre unser 8. Geburtstag. Unsere Eltern planen für uns und bis zu 3 unserer besten Freunde eine Geburtstagsparty mit Astronautenthema. Jetzt gibt es drei verschiedene Varianten, wie diese Party organisiert werden kann:

  1. Unsere Eltern stecken uns in Astronautenkostüme und führen uns durch ein volles Programm. Wir bauen unsere eigene Rakete aus Pappe, wir spielen Cowboy und Indianer (oder Astronauten und Aliens) im umdekorierten, mit Sternen gefüllten Keller und essen „echtes“ Astronautennahrung. Der ganze Tag ist individuell auf unsere Astronautenfantasien zugeschneidert. Unsere Eltern haben an alles gedacht und geben ihr Bestes uns zu beschäftigen.
  2. Unsere Eltern haben den Keller dekoriert und „echtes“ Astronautenahrung hingestellt. Ein paar Spielzeuge und Videospiele liegen griffbereit und wir dürfen den ganzen Abend alles machen was wir wollen. Die Spielzeuge sind etwas klebrig und bewegen sich nicht so ganz, wie sie es sollten, aber es ist gut genug! Wir sind auf uns selbst angewiesen, denn unsere Eltern sind ehrlicherweise etwas nachlässig.
  3. Unsere Eltern haben eine Piratenflagge aufgehängt und gesagt: „Ihr seid jetzt Piraten. Viel Spaß und bis in 3 Monaten wenn ich euch ein paar neue Spielzeuge vorbei bringe.“ Unsere Eltern sind plötzlich Sea of Thieves.

Keine dieser Partys ist besser als die andere. Es kommt ganz darauf an, was man möchte. Manche Spieler wollen eher alleine gelassen werden, andere wollen die Welt gezeigt bekommen. No Man’s Sky fällt deutlich in die zweite Kategorie. Alles Nötige für die Flucht aus der Realität ist da. Den Spaß generieren wir uns aber selbst. Es kostet nur ein ganzes Stück mentale Eigeninitiative. Denn ohne Fantasie spielen wir nur in einem dekorierten Keller. Niemand zeigt uns was es bedeutet ein Astronaut zu sein. Und egal was unsere Eltern gesagt haben, es ist einfach nur Nudelsalat und nicht Weltraumnudelsalat. Ob das ein gravierendes Problem ist oder ob sich ein einfacher Nudelsalat doch tolerieren lässt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Für mich hatte es aber zur Folge, dass mein oben beschriebenes Abenteuer sich schlicht leer und konsequenzenlos anfühlte.

Was für ein Typ bin ich?

Es gab Momente in denen auch ich mich über die leeren Versprechungen von No Man’s Sky 1.0 aufgeregt habe. Ich wollte das Spiel schnell wieder in die Ecke schmeißen. Ich konnte nicht verstehen wie manche Spieler Stunden über Stunden in einer solch leeren Welt verbracht haben. Man machte doch gar nichts! Man stand nur in einem flüchtig dekorierten Keller. Ich möchte die Schwächen von No Man’s Sky wirklich nicht verteidigen mit einer Aussage wie „Mit Freunden macht es Spaß!“ oder „Man sucht sich seinen eigenen Spaß!“. Man muss sich nur bewusst sein von der Art des Gameplays, welches einem geboten wird. Die kuratierten Momente gibt es nahezu gar nicht, man muss sich treiben lassen und einzelne Momente lernen wert zu schätzen.

Bevor man an ein Spiel herantritt sollte man sich also vielleicht tatsächlich einmal überlegen wie man Urlaub macht oder was für eine Art Kindergeburtstag man sich wünschen würde? Brauche ich viele Spielregeln, Aktivitäten und Abwechslung? Oder reicht mit eine vage Idee und Atmosphäre, sodass ich selbst Lücken mit auffüllen kann. Oder benötige ich einen guten Mix aus beiden Extremen?

Mein Pragurlaub war übrigens fantastisch. Ich habe Bars entdeckt abseits der großen Touristengegenden in denen ich Einheimische kennen lernen durfte, die den ganzen Urlaub noch interessanter gemacht haben. Aber auch die Prager Burg habe ich sehen können und mich ebenso in den Touristentrubel der Karlsbrücke werfen können. Im Gesamten war es also ein Mix aus vorgeplanten, touristischen Aktivitäten und sich spontan entwickelnden Momenten.

Meine bisher 15 stündiger Kurzurlaub in No Man’s Sky NEXT hat mir aber zu wenige Sehenswürdigkeiten. Die vorhandenen Spielzeuge sind in Ordnung, die Präsentation fantastisch aber verglichen zu Genrekollegen wie Terraria, Starbound oder Subnautica verlässt sich die Moment-to-Moment Action zu sehr auf die Fantasie des Spielers. Die unendliche Spielwelt neigt leider noch immer zu häufig dazu schlicht uninteressant zu sein. Natürlich kann nicht jeder Planet ein Paradies sein, aber wenn ich in 15 Stunden Spielzeit nur 1-2 Planeten finde auf denen ich mehr als 5 Minuten zeit verbringen will, ist das eine schlechte Quote. Vielleicht fehlt mir auch einfach ein Stück Fantasie. Vielleicht bin ich inzwischen zu abgestumpft? Denn der Keller den Hello Games dekoriert hat ist verdammt cool! Ich kann mich nur nicht darin verlieren. Langeweile nimmt die Überhand auch wenn ich mich anstrenge das Gute zu sehen.

Würde ich die Erfahrung weiterempfehlen? Wahrscheinlich nicht. Würde ich No Man’s Sky als ein gutes Spiel betiteln? Auf keinen Fall. Bereue ich den Vollpreiskauf des Spiels? Nicht wirklich. Es ist ein faszinierendes Projekt mit wahnsinnig viel Potential und ich werde sicherlich noch ein paar Stunden mehr die Tiefen des Alls erkunden. Eine Revolution oder eine 180° Drehung ist No Man’s Sky Next im Vergleich zur 1.0 Version aber noch immer nicht.

 

 

6 Gedanken zu “No Man’s Sky NEXT: Die unendliche Leere des Alls

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