Little Nightmares: Morbide Kuriositäten

Ein quälender Traum von einer furchterregenden Gestalt erweckt unsere kleine Protagonistin Six aus dem Schlaf. Bekleidet in einem strahlend gelben Regenmantel steigt sie aus einem Koffer und findet sich wieder in einem erdrückenden, metallenen Raum. Auf das „Warum“ hat sie noch keine Antwort, auf das „Wohin“ allerdings schon – in die Freiheit.

Little Nightmares ist ein Puzzle-Platformer im Stile von Limbo oder Inside, in dem der Spieler seine junge Heldin durch die Innereien eines surrealen Unterwasserkomplexes lenken muss. Mit einem Feuerzeug ausgerüstet liegt es nun an Six eine Vielzahl von düsteren Umgebungen zu durchqueren und lebend aus ihrem Gefängnis auszubrechen. Allerdings belasten nicht nur die in der Dunkelheit knarrenden Dielen oder die pfeifenden Rohre unsere von Alpträumen geplagte Psyche. Schnell trifft Six nämlich auch auf entstellte Figuren, die uns aus unerklärten Gründen nicht lebend gehen lassen wollen.

Little Nightmares Geschichte und Spielwelt sind gewollt unklar. Wer Six ist, warum sie hier ist und was der Hintergrund ihres Gefängnisses ist, sind Fragen die nie deutlich beantwortet werden. Die rund 3-4 Stunden Spielzeit von Little Nightmares vergehen so wie im Flug. Man ist stets motiviert mehr von diesem fürchterlichen Traum aufzudecken um in dessen makaberen Bildsprache Antworten zu finden. Was der Spieler findet sind morbide Szenen, die uns regelmäßig an die Hilflosigkeit von Six erinnern. Dieses Gefühl wird nur noch verstärkt durch die verschobenen Proportionen der Spielwelt, die unsere Wahrnehmung verzerren. Six‘ kindlicher Blickwinkel dient somit der thematischen Gegenüberstellung zu seiner vom Tode gekennzeichneten Umwelt.

Diesen visuellen Kniff macht sich Little Nightmares auch für sein Gameplay zu nutzen. Six erklimmt so zum Beispiel gigantische Möbel, muss Stühle verschieben um Türklinken zu erreichen oder springt über diverse Hindernisse. Leider sind diese Momente der größte Schwachpunkt von Little Nightmares. Die Jump’n’Run und Puzzle Einlagen reichen nämlich von wenig fordernd bis leicht frustrierend. Nicht selten steuerte ich Six in einen Abgrund, weil ich leichte Schwierigkeiten hatte die Tiefe der Welt einzuschätzen. Ist dann ein frustrierender Moment überstanden, durfte ich anschließend mühselig und träge eine Kiste verschieben um den nächsten Raum zu erreichen. Glücklicherweise sind diese Gameplaysequenzen kurz, selten und dienen letztlich nur als Überleitung zu den großartigen Aufeinandertreffen mit den Bewohnern des Komplexes.

Jedes Kapitel in Little Nightmares führt einen neuen Widersacher ein, die sich an Schrecklichkeit stets überbieten. So lauscht beispielsweise der blinde Hausmeister unseren Schritten und versucht Six mit seinen feingliedrigen Armen zu ergreifen. Unter der Nase dieser fleischgewordenen Grauen, gilt es stets zu schleichen um diverse Aufgaben zu erfüllen. Mal muss ein Schlüssel aus dem Zimmer eines schlafenden Wesens gestohlen werden und ein anderes Mal werfen wir Gegenstände in der Umgebung um eine der Gestalten von unserer Position abzulenken. Bemerkt eines dieser Monster unsere Anwesenheit, ergibt sich ein Spiel von Katz‘ und Maus, welches ein tiefes Unbehagen auslösen kann.

Little Nightmares ist nicht der gruseligste Horror, den es gibt. Es ist auch nicht das fordernste Jump’n’Run oder das cleverste Puzzle Spiel. Vielmehr kreiert es eine Spielwelt, die es schafft kindliche Neugier aufgrund von morbiden Kuriositäten zu erwecken. Die Folge davon ist eine Spannung, welche den Spieler motiviert die Reise der kleinen Heldin bis zum Ende verfolgen zu wollen.

Das Video-Review findet ihr auf meinen YouTube-Kanal.

Link zur Steam-Seite von Little Nightmares:
http://store.steampowered.com/app/424840/Little_Nightmares/

Link zur GoG-Seite von Little Nightmares:
https://www.gog.com/game/little_nightmares

Hollow Knight: Die melancholische Welt der Insekten

Hollow Knight ist ein 2D-Action Platformer vom australischen Entwicklerstudio „team cherry“. Auf dem ersten Blick wird jedem Videospieler klar sein woher Hollow Knight seine Inspirationen zieht. Es sieht aus wie ein Metroid-Spiel und ist auch von seiner Struktur Nintendos 20 Jahre alter Formel sehr ähnlich. Allerdings pinselt das junge Entwicklerstudio genug Schichten frische Farbe auf die altbackene Architektur um das Gesamtwerk strahlend neu erscheinen zu lassen. Hollow Knight macht keine Geheimnisse aus seinen Vorbildern von Metroid, Dark Souls, Ori and the Blind Forest und Super Meat Boy. Trotzdem schafft es das Spiel auf seinen eigenen Beinen zu stehen.

Die Geschichte von Hollow Knight spielt in einer von Käfern bevölkerten Welt, welche einst von einer prächtigen Zivilisation geprägt war, die inzwischen allerdings zu melancholisch, mysteriösen Ruinen verkommen ist. Der Spieler übernimmt dabei die Rolle eines kleinen, mutigen Helden, der seinen Platz in der Welt finden und den Geheimnissen der Vergangenheit auf die Spuren kommen muss. Die Präsentation der Geschichte in Hollow Knight ist dabei düster und gewollt vage gehalten. Auf seinen Reisen trifft der Spieler eine Vielzahl von genial gezeichneten Charakteren, die ebenso viele Fragen über den Status der Welt aufkommen lassen, wie sie auch beantworten. Die Welt von Hollow Knight ist gefüllt von alten Überlieferungen, Sagen und Mythen, die der Spieler im Verlauf des Spiels nach und nach zusammen puzzeln kann. Ebenso ist es allerdings leicht möglich diverse Teile der Geschichte zu verpassen, da die Welt riesig und die Erzählungen kryptisch sind. Für meinen ersten 100% Durchlauf des Spiels habe ich knapp 25 Stunden benötigt und war zu Beginn überwältigt von der schieren Größe und Freiheit des Spiels.

Genau hier liegt aber nämlich die größte Schwäche von Hollow Knight. Anders als bei Genre Geschwistern ist die Weltkarte nicht nur ein Mittel zur Orientierung, sondern ein zentrales Gameplay-Element. Beim ersten Betreten eines Areals fehlt dem Spieler noch eine passende Karte. Erst nachdem der Spieler den Kartografen gefunden und ihm eine Karte abgekauft hat, wird ihm ein Teil der Spielwelt angezeigt. Aber damit noch nicht genug: Die Karte aktualisiert sich nicht automatisch beim Betreten eines neuen Raumes. Erst nach dem Rasten auf einer der sporadisch verteilten Bänke, die gleichzeitig als Checkpoint-System dienen, werden die erkundeten Bereiche ausgefüllt. Dieses System führt dazu, dass dem Spieler ein Anreiz geboten wird ein neues Gebiet auf eigene Faust zu erkunden. Das führt auch zu spannenden Momenten, da man nicht weiß welche krabbelnden Monster einen an der nächsten Ecke erwarten. Problematisch wird es allerdings wenn man seit dem letzten Checkpoint schon eine weite Reise hinter sich hat und herumirrend in einem der klaustrophobische Gänge sein Ende findet. In diesem Fall, fällt man nicht nur wieder weit zur letzten besuchten Bank zurück , sondern verliert auch all sein gesammeltes Geld. Wiedererlangen lässt sich dieser Verlust erst, wenn man sein dunkles Phantom an seinem letzten Grab besiegt. Das Erkunden der Welt, kann so stellenweise sehr frustrierend werden, da man sich anfangs noch sehr planlos umher bewegt. Nach ca. 2 Stunden Spielzeit konnte ich mich allerdings so an diese Regeln gewöhnen, dass ich meine Erkundungsrouten entsprechend planen konnte, sodass ich nie weit von einem Checkpoint entfernt war. Zwar verbinden sich alle Gebiete mit zunehmender Spielzeit durch eine Vielzahl von Abkürzungen immer mehr, dennoch ist das erneute Besuchen bereits erkundeter Gebiete unvermeidlich und teilweise recht zeitintensiv und frustrierend. Wer sich an solchem Design stört, der sei hiermit gewarnt, denn Hollow Knight scheut in absolut nicht davor frustrierend zu sein. Überkommt man aber die anfängliche Ziellosigkeit und wird man vertraut mit dem Layout der Welt wird man von den obskuren Charakteren, den anspruchsvollen Sprungeinlagen und den genialen Bosskämpfen belohnt.

Das Kampfsystem in Hollow Knight ist simplistisch und zunächst hatte ich mir ein etwas tiefgehenderes Kombosystem gewünscht. Dieser Wunsch wurde, je tiefer ich in das Spiel eintauchte allerdings immer schwächer. Die Variation und der Tiefgang des Kampfsystems liegt nämlich nicht in den Schlägen des Spielers selbst, sondern in der Vielzahl an Gegnertypen mit jeweils einzigartigen Angriffsmustern, die ihrer Umgebung angepasst sind. Zwar gibt es Kampfupgrades für den Spieler zu finden, diese ändern die Action aber nur unwesentlich. Wie man einem Gegner entgegentritt ist immer abhängig von seiner Position in der Welt und seinem Angriffsmuster. Dies führt dazu, dass der Kampf nicht das gekonnte Drücken der „Schlag-Taste“ abverlangt, sondern regelmäßig die Mobilität des Spielers testet. Die Variation der Gegnertypen zwingt den Spieler dann zwischen Sprung, (Air-)Dash und Schlag abzuwechseln um zwischen den Attacken von Gegnern durch zu flitzen. Diese Kreativität an Gegnerdesign und Mobilität des Spielers erlaubt Hollow Knight für mit den spaßigsten Bosskämpfen, die ich seit langem in einen 2D-Spiel gespielt habe. Es war unheimlich befriedigend die Muster anfangs unmöglich erscheinender Bosse herauszufinden und dann zu meistern. Hollow Knight mag simpel erscheinen, ist aber ein sehr herausforderndes Spiel mit überraschend viel Tiefgang in seinen Kämpfen. Wer das verstecke Ending sehen möchte, der macht sich besser schon jetzt bereit für einige brutale Kämpfe und Sprungpassagen. Helfen tut dabei auch Hollow Knights Talisman-System. Im Spiel gibt es eine Vielzahl von Talismanen zu entdecken, die als passive Modifikationen dienen. Manche lassen den Spieler schneller oder stärker angreifen, andere erzeugen bspw. eine Giftwolke um den Spieler wenn dieser sich heilt. Die Variation in den verschiedenen Talisman-Kombinationen erlaubt so für individuelle Spielweisen und Taktiken und fügt eine weitere Schicht Tiefgang hinzu.

Alles in allem steht Hollow Knight trotz deutlichen Inspirationen von anderen Spielen auf seinen eigenen Beinen. Damit muss es sich auch nicht verstecken, denn Hollow Knight ist für mich, trotz der konfusen Wegfindung und der etwas trägen ersten paar Spielstunden, eines der besten Beispiele aus dem Genre. Vor allem die fordernden Bosskämpfe kann ich nicht oft genug loben. Hollow Knight ist ein schweres aber faires Spiel, mit dem Komplettisten im ersten Durchgang leicht 20-30 Stunden Spielzeit füllen können. Für Fans des Genres oder für Leute, die es werden wollen und die sich nicht vor einer Herausforderung scheuen, ist Hollow Knight absolut zu empfehlen. Macht euch nur darauf gefasst euch ab und an etwas zu verlaufen.

Preis: 14,99€

Link zur Steam-Seite von Hollow Knight:
http://store.steampowered.com/app/367520/

Link zur GoG-Seite von Hollow Knight:
https://www.gog.com/game/hollow_knight

Reviews zu Videospielen

Reviews oder schön eingedeutscht auch Spieletests waren für mich früher immer eine spannende Sache. Sie haben bestimmt welche Spiele gut sind und welche ich mir kaufen sollte. Regelmäßig ging mein Taschengeld drauf, um die neueste Gamepro oder Gamestar zu kaufen, denn wie sonst sollte ich als kleiner Matz ohne eigenen Internetzugang informiert bleiben?

Reviews und Tests haben objektiv, anhand einer Skala von 0-100 oder manchmal auch mit einem Schulnotensystem meiner Kaufentscheidung geholfen. Es war ganz klar welche Spiele gut waren (80+/100) und welche nicht. Heutzutage macht das Ganze allerdings wenig Sinn für mich. Ich lese keine Previews und keine Reviews mehr, ich höre nur noch auf Meinungen von Leuten, deren Argumente ich nachvollziehen kann oder deren Einschätzung ich ein gewisses Vertrauen schenke. Eine Wertung, wie es sie im Videospielejournalismus gibt ist wenig Wert wenn sie alleine da steht. Die Vielfalt an Geschmäckern und Genres, die es im Videospielmedium gibt macht es meiner Meinung nach unmöglich eine objektive Schlusswertung abzugeben. Eine Wertung von 85% für ein Spiel von einer Person ist ungleich derselben Wertung eines anderen. Letztlich sind die Argumente entscheidend, die eine Person nutzt um seine Einschätzung zu vertreten.

Genau darum, hat sich mein Verhalten wie ich mich über Videospiele informiere über die Jahre grundlegend geändert. Anstelle von Zeitschriften und Wertungen, folge ich heutzutage einzelnen Personen, dessen Argumentation ich auf persönlicher Ebene nachvollziehen kann. Dies führt dann dazu, dass diese Personen Spiele für mich empfehlen und ich ihnen blind Vertrauen kann, da ich ihren Geschmack bereits kenne.

Diese Form von persönlicher Kritik und Argumentation gibt es im Film schon lange. Filmkritiker tun das, was ihre Berufsbeschreibung schon verrät. Sie geben eine Kritik ab – eine persönliche Bewertung der Höhen und Tiefen des jeweiligen Werkes. In Spielen neigen wir jedoch oft in unserem Grundverständnis dazu, sie als ein reines Produkt zu sehen: Preis-/Leistung, Grafik, Sound und am Ende die Bewertung. Mit diesem Blog habe ich bereits einige Independent Projekte gezeigt, die kaum in dieses Schema passen. Dies möchte ich auch weiterhin tun. Allerdings möchte ich auch größere, kostenpflichtige Projekte anschauen und dafür ist ein Review oder eine Kritik besser geeignet als eine pure Empfehlung.

Denn auch ich bin Konsument und kaufe mir (zu?) viele Spiele, die ich innerlich bewerte. Im Nachhinein stelle ich mir oft die Frage: Kann ich dieses Spiel weiterempfehlen und warum?

Um diese Frage für mich etwas produktiver zu gestalten habe ich mich dazu entschlossen zukünftig alle Spiele, die ich mir kaufe und durchspiele auch schriftlich und in Videoform zu bewerten. Dabei wird am Ende allerdings keine Wertung stehen, sondern ich hoffe meinen Eindruck in Kurzform so festhalten zu können, dass es für andere Informativ genug ist um anschließend selbst Entscheiden zu können, ob das jeweilige Spiel die Zeit und das Geld Wert ist.

Sacramento: Ein Traum zum spielen

Illustratorin und Entwicklerin von Sacramento, Delphine Fourneau, beschreibt dieses Projekt selbst als ein Spiel, dass darum geht flüchtige Erinnerungen festzuhalten, bevor diese ins Nichts verschwinden.

Der Spieler findet sich zu Beginn des Spiels an Bord eines Zuges wieder. In der Ego-Perspektive schaut er aus dem Fenster, bis die Glocken schellen und ihn eine traumhafte, vage Landschaft setzen, die es zu entdecken gilt. Diese Landschaft wird eindrucksvoll in dem Stil eines Wasserfarbgemäldes dargestellt. Die Welt von Sacramento ist dem Spieler offen. Man sucht sich eine Richtung aus und entdeckt wie die irreale Welt auf einen wirkt.

Video-Impressionen zu meinem Durchgang findet ihr auf meinem YouTube Kanal:

Sacramento ist basiert auf Skizzen, die Illustratorin Delphine Fourneau, selbst angefertigt hat. Diese Skizzen erschaffen eine simple, aber Gleichzeitig umfassende Spielwelt. Der Spieler wird nicht durch Mechaniken gefordert, wird aber durch die märchenhafte Welt dazu animiert auf Erkundungstour zu gehen. So erkennt man in der Ferne oft nur schwach ein Objekt, dass sich erst bei näherer Betrachtung zu etwas greifbarem formt. Untermalt wird das Ganze durch den atmosphärischen Soundtrack von Glass Body. Wie in einem Traum, ist die Zeit in der Welt von Sacramento jedoch begrenzt und lädt einem zu mehreren Durchgängen ein.

Wer sich von Sacramento angesprochen fühlt, sollte es unbedingt einmal selbst probieren. Der Link zum Download ist hier. Außerdem rate ich jedem, der das Design von Sacramento ansprechen findet, dazu einen Blick auf die Projektseite der Entwicklerin zu werfen: http://www.dziff.com/. Hier findet ihr einige ihrer ansprechenden Illustrationen und Videospielprojekte.

Mafia III: Warum niemand und jeder es spielen muss

Die unterdurchschnittliche PC-Portierung von Mafia III hat bei seiner Erscheinung so einigen Staub aufgewirbelt und für Drama in vielen Foren gesorgt. Jetzt, nachdem die ersten Patches erschienen sind und sich der Staub wieder etwas gelegt hat, ist der allgemeine Konsens, dass Mafia III ein durchschnittliches Open-World Spiel, das etwas eintönig wird. Zu Mafia III gibt es allerdings etwas mehr zu sagen als nur das.

Mafia III startet mit einem eindrucksvollem Prolog, der einen direkt in die Action der Aufstiegsgeschichte des afro-amerikanischen Vietnam-Veterans Lincoln Clay versetzt. Schnell wird klar, dass Lincoln die Brutalität des Krieges im fiktiven New Orleans (New Bordeaux) der 60er Jahre nicht so einfach wieder los wird. Während er im Krieg noch als Held gefeiert wurde, muss er sich jetzt in einer Welt voller Diskriminierung gegenüber Afro-Amerikanern zurecht finden. Dabei helfen ihm alte und neue Freunde aus der organisierten Verbrechenswelt. Früh im Spiel wird jedoch klar, dass Freunde in dieser Welt nicht selbstverständlich sind. Der italienische Mafiaboss Sal Marcano lockt ihn nämlich am Ende des Prologs in einen Hinterhalt. Lincolns Mission wird durch dieses Ereignis schnell deutlich: Rache. Unterstützung findet er dabei von seinem alten Army Freund John Donovan – ein CIA Agent, der Sal Marcano ebenso lieber tot als lebendig sehen will. Damit ihnen das gelingt folgen sie dem Motto: „Die Feinde meiner Feinde, sind meine Freunde“. Im Verlauf von Mafia III sucht Lincoln die Loyalität der Anführer der drei mit Marcano konkurrierenden Verbrecherbanden auf. Das Gesuch nach Rache schweißt sie dabei zusammen.

Die brutale Rachegeschichte von Lincoln ist filmisch inszeniert und wird in Form einer Dokumentation (ähnlich dem Film Cocaine Cowboys) dargestellt. Der Plot der Geschichte ist dabei sehr vorhersehbar, erfüllt aber alle Rachegelüste, die Lincoln im Laufe der 20-30 Stunden Spielzeit aufgebaut hat. Doch wie spielt sich Mafia III?

Mafia III öffnet sich dem Spieler langsam. Alle Mechaniken des Spiels stehen dem Spieler erst nach einigen Stunden Spielzeit zur Verfügung. Es gilt dann die einzelnen Bezirke von New Bordeaux einzunehmen. Der Spieler sucht sich dazu. auf der Stadtkarte, eine von Marcano geführte Einrichtung aus. Mal ist dies ein Strip-Club aus dem Lincoln, die in die Sexarbeit gezwungenen Frauen befreien muss. Ein anderes Mal ist dies ein Casino, aus dem man Marcanos Vorräte stehlen muss. Die Mechanik bleibt aber immer dieselbe: Schleiche oder stürme mit gezogener Waffe in die jeweilige Einrichtung und richte soviel monetären Schaden wie möglich an. Dies lockt dann einen untergeordneten Gangsterboss von Marcano an, den Lincoln entweder verhören und töten kann. Die stillgelegte Einrichtung darf Lincoln dann an einen seiner 3 Unterbosse neu verteilen. Wer dabei welche und wie viele Einrichtungen erhält, bestimmt ihre Loyalität gegenüber Lincoln. Hat der Spieler dann genug Einrichtungen in einem Bezirk übernommen öffnet dies wiederum die längeren Missionen, die die Geschichte vorantreiben. Diese Struktur ist der Kern von Mafia III, welche der Spieler immer und immer wieder wiederholen muss. Die schiere Anzahl dieser, relativ uninteressanten, Nebenmissionen erdrücken allerdings auf Dauern. Ab einem gewissen Punkt wollte ich nur noch schnell durch zur nächsten, toll inszenierten Hauptmission kommen.

Kann ich Mafia III also empfehlen? Nein, niemand muss Mafia III gespielt haben.

ABER:

In meinem letzten Blog-Eintrag habe ich die Spielwelt als einen Eckpfeiler des Videospielmediums beschrieben. Die Spielwelt verlangt vom Spieler ein abstraktes Denken, sodass er die etablierten Mechaniken sinnvoll in seinem Spielplatz anwenden kann. Mafia III verschweißt seine Mechaniken eng an seine Spielwelt und schafft es so dem Spieler nicht nur die Kontrolle über Lincoln Clay zu geben, sondern gibt ihm das Gefühl ein Teil von New Bordeaux zu sein.

Dieses enge Verschmelzung von Mechaniken und Spielwelt fühlt der Spieler bereits in der Steuerung von Lincoln und dem Fuhrpark. Alles fühlt sich etwas träge an ohne das es zur Last wird. Lincoln und sein Fuhrpark der 60er haben ein Gewicht in sich. Autos brechen im Heck aus wenn man aufs Gas tritt, wie man es von einem Oldtimer erwarten würde. Wird Lincoln angeschossen, ist das nicht nur ein Abzug des Lebensbalken, sondern geschieht mit einer Wucht, die Lincoln in seinem Gang zum Stoppen bringen kann. Ebenso verhält es sich mit Lincolns Feinden. Kugeln schlagen mit einer Brutalität in die Körper der Feinde und lassen diese taumeln und umfallen. Dies geschieht allerdings mit einem kleinen Zwinkern, denn es scheint als ob Feinde, die neben einer Wand oder einem Geländer stehen sich beim Tod bewusst in oder über dieses schmeißen. Die daraus resultierende (teilweise unfreiwillig komische) Todesanimation wirken wie aus einem Film der 60er – passend zum Setting von Mafia III.

Obwohl das Einnehmen der verschiedenen Bezirke etwas eintönig und wenig fordernd ist, so fühlt sich jeder Schusswechsel an, als würde man einen alten Action-Film spielen.

Dieser pure, dumme Spaß steht allerdings im Kontrast mit dem brutal realem Setting des Spiel. Diskriminierung existiert wirklich und auch das lässt Mafia III seinen Spieler spüren. Es ist etwas schade, dass dem Spieler nur die Sprache der Gewalt zur Verfügung steht ist allerdings zu verkraften wenn man Lincoln die Identität eines Vietnam-Veterans zuschreibt, der nie vom Krieg los gelassen hat. Lincoln ist kein Opfer dieser Welt und sein Charakter macht sich auch nie zu diesem. Er ist ein geschulter Killer auf der Suche nach Rache und ist seinen Feinden stets überlegen. Dies wird im Verlauf der Hauptmission deutlich unterstrichen. Ich als Spieler fühlte mich daher schnell sehr sicher in New Bordeaux, bis ich an einem Polizeiauto vorbeigefahren bin. Ein blauer Ring, der mir die Position der Polizei anzeigt, erschien. Das Spiel gibt mir das Feedback beobachtet zu werden. Anfangs habe ich mich gewundert, weshalb die Polizei so aufmerksam auf mich war, ich habe doch nichts illegales gemacht. Erst später, als ich in ein Lokal lief und der Besitzer die Polizei aufgrund meiner Hautfarbe rief, wurde mir wieder bewusst wo und wer ich in dieser Welt bin.

Eine weitere interessante Mechanik: Ruft jemand die Polizei, wird diese in Bezirken, die hauptsächlich von Schwarzen bewohnt werden wenig oder keine Präsenz zeigen. Erst in den reichen, weißen Bezirken machen sich die Polizisten die Mühe Straftaten tatsächlich nachzugehen.

Doch Lincoln baut sich trotz aller Diskriminierung ein Imperium auf und verhilft sich zu Macht. Und auch diese Macht bekommt der Spieler durch Feedback der Spielwelt zu spüren. Wird man von Feinden verfolgt findet man in seinen eigenen Bezirken schnell Verstärkung, die einem im Schusswechsel zur Seite stehen. Je nach dem welchem Unterboss der Spieler diesen Bezirk zugewiesen hat, entscheidet auch welche Unterstützung er erhält. In Form von Loyalität der Unterbosse erhält der Spieler diverse Upgrades zu seinem Repertoire.

Waffen besorgt sich Lincoln aus einem Van, den er jederzeit rufen kann, Autos können ihm von seinen Unterbossen geliefert werden und Geld erhält er durch Einnahmen der übernommen Einrichtungen Alle Mechaniken in Mafia III sind tief verwurzelt in seiner Spielwelt und machen thematisch Sinn. So erhält der Spieler ein optimales Feedback zu seiner Identität in New Bordeaux. Dies fängt an bei der Steuerung, geht über Polizeimechaniken, hin zu Machtspielen zwischen Verbrecherbanden und zieht sich bis zu dem großartigem Soundtrack.

Kann ich Mafia III also empfehlen? Ja, jeder muss Mafia III gespielt haben.