Als ich mit diesem Artikel begonnen bin, handelte er von meiner eigenen Zynik gegenüber Videospielen. Nach hunderten, wenn sich sogar tausenden Spielen, die ich in meinem Leben schon gespielt habe, erschleicht mich manchmal das Gefühl ein Stück Bewunderung des Mediums verloren zu haben. Ein Ego-Shooter funktioniert nach Prinzip x, ein Rollenspiel nach Schema y und zusammen ergeben sie das Spiel xy, welches ich schon mehrfach in ähnlicher Ausführung gesehen habe. Wer viele Jahre spielt, wird nach und nach die Strippen sehen, welche die virtuelle Marionette vor uns tanzen lässt. Es ist dann ein leichtes zynisch über sein eigenes Hobby zu werden, den Kauf von Videospielen als eine innere Konsumgier abzutun und den Sinn und Zweck seiner Freizeitgestaltung in Frage zu stellen. Damit bin ich aber nicht zufrieden. Das kann nicht das Ende meiner Gefühle sein. Videospielen besitzen für mich immerhin eine gewisse Anziehungskraft, die kein anderes Medium hat.
Als jüngstes Kind von 4 einer allein erziehenden Mutter, blieb selten etwas übrig für teure Hobbys. Es gab aber Weihnachten, Geburtstage oder ein Ausflug zu einem Flohmarkt oder auch zur Videothek, auf die ich mich immer gefreut habe. Videospiele waren teuer und etwas besonderes. Selbst mein frühkindliches Gehirn wusste, dass sie wertgeschätzt werden müssen. Gab man mir ein Spielzeugauto, habe ich mich natürlich gefreut, aber es besaß nicht denselben Wert. Gab man mir nämlich F-Zero, habe ich dies eine lange Zeit bis zum nächsten großen Ereignis gespielt. Ein neues Videospiel war ein neues Abenteuer. Spiele waren nicht nur ein Zeitkiller nach der Schule, sie waren der Grund die Schule überhaupt auszuhalten. Denn wenn ein Kind brav ist, wird es vom Weihnachtsmann belohnt. Und der Weihnachtsmann weiß, welche Spiele ich mir wünsche. Manchmal musste dem Weihnachtsmann auch nachgeholfen werden, indem man seinem Stellvertreter (aka Mama) überzeugt, dass GTA III ein geeignetes Spiel für einen 10 Jährigen sei. Jedes Spiel war aufregend und jedes Ereignis im Jahr war ungemein wichtig für mein kindliches Glück.
Natürlich bin hier hauptsächlich nostalgisch, aber wo ist diese Aufregung hin? Jetzt bin ich „erwachsen“ und verdiene mein eigenes Geld. Ich brauche keine Geburtstage, kein Weihnachten und keine Ausflüge zum Flohmarkt mehr um die Spiele zu spielen, die ich mir vom Weihnachtsmann wünschen würde. Der Weihnachtsmann stoppte zu existieren und damit auch ein Stück meiner Anziehungskraft zu Videospielen.
Versteht mich nicht falsch, es ist genial Spiele kaufen zu können ohne schräge Blicke seiner Mutter in Kauf nehmen zu müssen! Ich bin mein eigener Weihnachtsmann – 365 Tage im Jahr. Als Kind wäre das ein Traum gewesen. Damit wird es allerdings einfach zu vergessen, wie besonders Videospiele einmal für einen waren – man wird zynisch über sein eigenes Hobby. Welch triste Schlussfolgerung.
Damit will ich den Artikel aber nicht beenden. Ich will nicht über die Zynik schreiben, sondern über die Magie, welche die meisten Enthusiasten seit Kindesalter verzaubert. Nicht ohne Grund wächst meine Spielesammlung beinahe wöchentlich. Ich möchte die Leser dieses Artikels, die ab und an eine ähnliche Zynik in sich spüren wieder darauf aufmerksam machen, dass Videospiele mehr bedeuten können, wenn man seine Leidenschaft teilt und sich erinnert warum man überhaupt spielt. Die Flucht vor der Wirklichkeit, die Videospiele erlauben, ist gut. Das Gefühl, dass die Welt durch ein kleines Ereignis positiver wird, ist allerdings besser. Wenn man die Strippen der Marionette sieht, ist das nichts schlechtes. Ihr habt damit die Kraft euren Bruder zu überzeugen Playerunknowns Battlegrounds zu kaufen ein Multiplayer Match wie früher zu haben. Oder zeigt eurem Nicht-Zocker Kumpel ein TellTale Spiel anstelle einer TV-Serie beim Filmeabend oder schreibt, singt, macht Videos oder sonst etwas über euer tiefstes Hobby. Lasst Leute an eurer Leidenschaft teilhaben und macht die Welt von Moment zu Moment und von Ereignis zu Ereignis zu einem besserem Ort. Benutzt die Magie, die euch früher eingefangen hat, für die besten Zwecke.
Die Videospielmagie existiert für mich immer noch, auch wenn der Weihnachtsmann weg ist. Anstatt meine Mutter von meiner Wunschliste zu überzeugen, überrede ich nun mein Bruder ein neues Multiplayerspiel mit mir zu spielen. Anstatt mich ein Jahr lang mit F-Zero zu beschäftigen, freue ich mich nun über entspannte, abendliche 2 Stunden mit What Remains of Edith Finch. Die Magie von früher ist nicht weg, sie hat nur einen anderen Platz eingenommen. Videospiele sind besser und vielfältiger, als sie es je zuvor waren. Es gibt also keinen Grund zur Zynik, wie ich es ursprünglich mit diesem Artikel angenommen habe. Es gibt nur Magie.