Seit Jahrzehnten ist der Konsolenmarkt für Videospielfans verlässlich und durchschaubar. Alle 6-7 Jahre veröffentlichen die großen Hardwarehersteller eine neue Konsole, die ihre vorherige Generation ablösen soll. Nach einer kurzen Übergangsphase bricht dann die Softwareunterstützung für die alten Konsolen ab und Konsumenten, Softwareentwickler und Hardwarehersteller ziehen weiter.
Das Jahr 2016 hat einen Bruch der alten Traditionen dargestellt. Der Videospielmarkt verändert sich und allen Beteiligten steht eine spannende und ungewisse Zeit voraus. Nintendo beteiligt sich schon seit der Wii nicht mehr am traditionellen Konsolenzyklus, sondern hat sich seinen eigenen eingerichtet. Auch Sony und Microsoft laufen mit der PS4 Pro bzw. Project Scorpio nun eine neue Strategie. Anstatt die alte Generation zu ersetzen, sollen die neuen Konsolen nun den Vorgänger in Mitten des gewohnten Zyklus ergänzen und den Spielern größeren Entscheidungsfreiraum geben. Sowohl Microsoft als auch Sony betonen deutlich, dass ihre neuen Konsolen kein Ersatz der alten Konsolen darstellen. Alle Spiele für PS4, sollen auch auf der PS4 Pro spielbar sein und auch die Project Scorpio von Microsoft soll keine Exklusivtitel erhalten. Für Videospielfans bedeutet dies ein Abschied von gewohnten Traditionen. Konsolen könnten in Zukunft einen Lebenszyklus ähnlich eines Iphones bekommen.
Sony: Playstation 4 & Playstation 4 Pro
Nachdem diverse Internetseiten einen möglichen Nachfolger der PS4 geleakt haben, hat auch Sony einige Tage vor der E3 2016 die Existenz der Playstation Neo bestätigt. Mit Details hielt sich Sony zunächst noch bedeckt und hat die Playstation Neo dann in einem eigenen Event vorgestellt und PS4 Pro getauft.
Sony ist in einer interessanten Situation. Sie sind der momentane Marktführer auf dem Konsolenmarkt. Nachdem die PS3 erst spät in ihrem Lebenszyklus Anklang gefunden hat und Entwickler stets die Xbox 360 bevorzugt hatten, konnte Sony das Debakel der Vorstellung der Xbox One für seine Marketingzwecke benutzen um die Playstation 4 als die beste Wahl für traditionelle Videospieler positionieren. Inzwischen hat die Playstation 4 einen großen Vorsprung: Über 50 Millionen Playstations wurden an den Kunden gebracht und das Softwarelineup ist stark. Mit Horizon: Zero Dawn, dem Reboot von God of War, einer gesunden Indie-Bibliothek und diversen Exklusivtiteln in Entwicklung (The Last of Us: Part II oder Days Gone) hat Sony einige Kracher in den Startlöchern. Alteingesessene Fans werden von Sony auch belohnt mit dem Versprechen Kult-Klassiker wie Shenmue, Crash Bandicoot oder Windjammers neu zu beleben. Auch Third-Party Hersteller bevorzugen die Playstation aufgrund ihrer großen Spielerbasis.
Dennoch muss man sich fragen wo Sony nun hin möchte. Die PS4 Pro ist erschienen und bietet für Technikfans mit geeignetem Fernseher einen Sprung in technischer Qualität.Wie groß der Sprung der Technik in der PS4 Pro tatsächlich ist, wurde bisher allerdings noch nicht bewiesen. Eine handvoll Titel, die bereits auf der regulären PS4 erschienen sind, erhielten nach der Veröffentlichung der PS4 Pro einen Performance Patch, der eine Hochskalierung auf eine 4k Auflösung möglich machte. Andere Titel wie bspw. Rise of the Tomb Raider ermöglichen dem Spieler auf der PS4 Pro eine Auswahl zwischen 60 FPS mit weniger Details oder 30 FPS mit hoher grafischer Auflösung. Das diverse Titel wie The Last of Us Remastered auf der PS4 Pro sogar schlechter liefen, als auf der PS3 sei dahin gestellt und höchstwahrscheinlich eher ein Software Problem, als ein Testament der Qualität der PS4 Pro. Die PS4 Pro scheint allerdings trotz holprigem Start (Performance Probleme, geringe Verbreitung von 4K Fernsehern) positiv bei den Playstation Käufern angekommen zu sein. Die Idee den Spielern mehr Entscheidungsfreiheit beim Konsolenkauf zu geben scheint zu zünden – sowohl PS4, als auch die PS4 Pro verkaufen sich noch immer prima.
Das einzige Sorgenkind in der Playstation Produktpalette ist das Playstation VR Headset. Als günstigste Variante aller auf dem Markt erhältlichen VR Headsets gepaart mit der potentiell sehr starken Videospielbibliothek einer Playstation besitzt Playstation VR immenses Potential. Sonys Lösung für ein VR Headset ist beeindruckend. Anstatt ein komplett neues Produkt zu entwickeln hat Sony es geschafft mithilfe von bestehenden Ressourcen (PS Move Controller und PS Kamera) eine akzeptables Einsteigermodell für VR Interessenten zu schaffen. Schade nur, dass das Software Lineup der virtuellen Realität auch auf der Playstation sehr schwach ist. Dieses schwache Lineup und der Fakt, dass die PS4 Pro und das VR Headset gleichzeitig für das Weihnachtsgeschäft bereit waren, sendete Kunden die Botschaft: Kauft die PS4 Pro jetzt und das VR Headset später (zumal die VR Performance auf der PS4 Pro auch besser sein soll).
Mit der leistungsstärkeren PS4 Pro und dem PSVR Headset hat sich Sony also schon jetzt für die nächsten Jahre positioniert. Inwiefern diese frühe Positionierung sich auszahlen wird, steht allerdings noch in den Sternen. Denn während Sony versprochen hat, dass alle PS4 Pro Titel auch auf der regulären PS4 spielbar sein werden, bleibt es abzuwarten welche Abstriche Besitzer der regulären PS4 machen müssen. So wird The Last of Us: Part II primär mit der PS4 Pro im Hinterkopf programmiert. Die Frage wann sich Sony und diverse Software Entwickler von der regulären PS4 abkoppeln bleibt spannend. Denn einerseits will man die >50 Millionen bestehenden Kunden nicht mit einem zu kurzen Lebenszyklus verärgern, andererseits muss auch Sony irgendwann einen deutlichen Schritt nach vorne gehen, denn ihr größter Konkurrent ist ihnen dicht auf den Versen.
Microsoft: Xbox One & Project Scorpio
Microsoft hat mit der Xbox 360 die heutige Konsolenwelt pioniert und neue benutzerfreundliche Standards geschaffen was Online-Gaming angeht. Die Xbox 360 war weltweit ein riesen Erfolg und viele Jahre die Platform der Wahl für viele Softwareentwickler. Microsoft war an dem Platz, an dem Sony heute ist. Leider hat Microsoft den Sprung zur neuen Generation suboptimal gemeistert.
Der ursprüngliche Pitch für die Xbox One war mehr als nur eine Spielekonsole. Microsoft wollte Receiver, Rekorder und Konsole in einem sein. Sie wollten auch weg von physischen Datenträgern hin zur Digital-Only World von der oft geträumt wird. Microsoft sprach bei der Vorstellung der Xbox One von „harmonizing your experiences“ anstatt Videospiele zu zeigen. Sie haben die Hardware und den Namen Xbox über die Software gestellt und mussten dafür büßen. Denn Sony hat diesen Fehler schamlos ausgenutzt und sich als bessere Anlaufstelle für Videospieler positioniert. Die Verkaufszahlen der Xbox One belaufen sich heute auf >21 Millionen und somit weit hinter den 50 Millionen Playstations.
Seit dem Debakel der Veröffentlichung kämpft Microsoft mit seinen Hardwareverkäufen. Allerdings scheint auch die Software darunter zu leiden. Mit dem kürzlich eingestelltem Scalebound wurde deutlich wie wenige Exklusivtitel der Xbox noch übrig bleiben. Mit einem Blick auf den Kalender wird 2017 Sea of Thieves und Crackdown 3 erscheinen. Über letzteres herrscht schon länger Funkstille, was viel Raum für Spekulation über den Status des Titels übrig lässt. Die Argumente für eine Xbox One werden also schwächer und schwächer, zumal alle zukünftigen First-Party Xbox One Titel auch auf dem PC im Windows 10 Store erhältlich sein werden. Zugegeben, der Windows 10 Store benötigt noch viel Arbeit im Vergleich zu anderen Distributionskanälen wie GOG Galaxy oder Steam, es ist aber immerhin ein besserer Anfang als Games for Windows Live es damals war.
Gerüchten zufolge wird die Ende 2017 erscheinende neue Xbox (Project Scorpio) leistungsstärker als die PS4 Pro werden. Angesichts der Tatsache, dass bereits die Xbox One auf Windows 10 läuft, liegt die Vermutung nahe, dass Microsoft auf eine Vereinheitlichung ihrer PC Ressourcen und ihrer Konsolen Abteilung abzielt. Wenn Microsoft es gelingt nur einen Bruchteil ihrer über 400 Millionen Windows 10 User für die Xbox oder den Windows 10 Store zu begeistern ist Microsoft wieder im Rennen um die Krone im Konsolenkampf. Mit einer leistungsstarken Konsole, der möglichen Anbindung von Oculus Rift und HTC Vive Usern an die Xbox und dem Vorteil des potentiell stärkeren VR Software Lineups bis Ende 2017 könnte Project Scorpio das werden, was die PS4 Pro schon jetzt sein möchte.
Microsoft hat seit der Veröffentlichung der Xbox zumindestens was das Marketing betrifft, eine 180° Wendung gemacht. Ihre Botschaft an die Spieler ist stets ein Fokus auf die Spiele mit ihrer Platform Xbox & PC lediglich als ein Träger dafür. Microsoft scheint aus seinen Fehlern gelernt zu haben und versucht sich nun neu zu positionieren. Ob sie bis zur Veröffentlichung der Project Scorpio auch ihr Software Problem wieder in den Griff bekommen, bleibt spannend. Inwiefern sie es schaffen PC Gaming mit der Konsole zu verbinden wird sich auch noch zeigen, birgt aber immenses Potential in dem sich ändernen Konsolenmarkt.
Nintendo: Switch & 3DS
Während Microsoft und Sony es unter sich auskämpfen wer den Heimkonsolenmarkt dominieren darf, rollt Nintendo im Hintergrund als perfekte 2. Konsole für PC, Xbox oder PS Besitzer. Mit traditionell innovativen, aber oft unterbenutzten Features in ihrem Konsolendesign schafft Nintendo es zwar interessant zu bleiben, schreckt allerdings oft Third-Party Entwickler ab. Für diese ist die Spieleentwicklung für eine komplett andere Hardwarekonfiguration oftmals zu risikobehaftet, zumal Nintendo Konsolen sich auch eher schlecht als recht auf dem Markt verbreiten.
Meinen Senf zur Switch Präsentation habe ich bereits abgegeben. Ich bin ein Nintendo Fan und bin immer begeistert von ihrer Hardware und Software, allerdings bin ich sehr enttäuscht von der bis jetzt präsentierten Strategie. Die Switch besitzt das immense Potential Nintendos größte Stärke – den Mobile-Gaming Markt – mit Heimkonsolen zu verbinden. Auch erste Schritte auf Smartphones hat Nintendo bereits gewagt und mit Pokemon Go (auch wenn das nur von Nintendo lizensiert wurde) riesige Erfolge feiern können. Wenn Nintendo es schafft die Erfolge des Mobile-Gaming Markts mit dem Heimkonsolen Markt zu verbinden kann Nintendo ein Comeback im großen Stil machen.
So sehr die individuelle Herangehensweise von Nintendo löblich ist, so traurig ist es wenn Nintendo zu konservativ handelt und etablierte Standards ignoriert. So soll ihr Online-Service auf der Switch auf dem Smartphone laufen, Accessoires und Controller sind überteuert und das Vorzeigespiel der Features der Switch (1-2 Switch) ist ein fragliches Konzept.
Es ist noch zu früh zu sagen, wohin die Switch geht. Daher bleibe ich vorsichtig optimistisch. Wenn Nintendo aber in den nächsten Monaten noch neue 3DS Titel ankündigt und diese nicht auch auf der Switch erscheinen, prophezeie ich ein ähnliches Schicksal wie die Wii U. Natürlich möchte Nintendo seine >60 Millionen 3DS Benutzer nicht vergraulen, indem es schon jetzt ankündigt, dass die Switch ein Nachfolger für den 3DS darstellen könnte, allerdings hat Nintendo auch noch keine Anzeichen gegeben wie es mit dem 3DS weitergehen soll. Diese Herangehensweise ist mir persönlich zu vorsichtig und konservativ und lässt mich befürchten, dass Nintendo sein Fenster zum Riesenerfolg verpassen könnte.
Hoffen wir aber für das beste, denn wenn Nintendo aus allen Kanonen feuert sind sie mit an der Spitze der Videospielindustrie, sowohl was Hard- als auch Software angeht.
Fazit
Der Lebenszyklus der Konsolen hat sich verändert. Die Zukunft der Konsolen wird sich ändern. Während Microsoft den reinen Konsolenmarkt bereits halb abwinkt und versucht auf eine Kombination von PC Gaming und Konsole zu setzen und Nintendo den Mobile-Markt auf den Fernseher bringen möchte, schippert Sony, meiner Meinung nach, noch den traditionellsten Kurs und hält sich die Option offen die reguläre PS4 in 2-3 Jahren durch die PS4 Pro zu ersetzen.
In meinem Leben habe ich jede Konsole besessen, die erschien und jede Konsole hat seine Vor- und Nachteile. Die heutige Konsolengeneration ist allerdings die erste in meinem Leben, die mich skeptisch macht und abwarten lässt. Während ich in der Vergangenheit ein Early Adopter war, gibt es mir heute zuviele wenn und abers, die mich als Käufer unsicher über die Zukunftsfähigkeit der jeweiligen Konsole werden lässt. Ich hoffe natürlich alle Hersteller feiern ihren Erfolg, davon profitiert letztlich jeder Gamer. Es ist aber eine spannende Zeit, dessen Ausgang die Rolle der Konsole in der Videospielindustrie dauerhaft verändern könnte.